{Adventskalender} Türchen 14

Guten Morgen ihr Lieben,

heute öffnen wir zusammen mit der Lieben Pia Hepke unser 14. Türchen.
Sie hat einen Auszug aus ihren Rentieren für uns.

Gewinnspielfrage: Was flüsterte Aku in Sulos Ohr ?
Das Gewinnspiel endet am 31.12.17 um 20 Uhr!
Teilnahmebedingungen: Gewinnspielfrage beantworten!

 Der Traum eines Tages ...

Sulo und ich erlebten bereits den zweiten Winter zusammen. Ich war größer als er, mein Geweih mächtiger. Neben mir erschien mein Bruder immer so viel kleiner, aber ich hatte mir geschworen ihn zu beschützen. Damals unternahmen wir zusammen allen möglichen Blödsinn. Unsere Mutter war mehr als nur ein bisschen genervt von unserem Gebaren. Die anderen Rentiere äußerten oft ihr Missfallen über dieses ausgelassene Verhalten, hatten sie doch Angst, dass wir dadurch Jäger anzogen oder diese nicht rechtzeitig genug bemerken würden.
Wir kamen nur zur Ruhe, wenn Raivo wieder einmal eine seiner Geschichten erzählte. Er hatte das ausladendste Geweih weit und breit. Seine Erscheinung war erhaben und seine Gestalt verströmte eine Form der Macht, der sich kaum einer entziehen konnte. Mit Sicherheit war das auch einer der Gründe, weshalb er bisher als einziges Rentier den Schlitten der Weihnachtsmannfamilie ganze fünf Mal hatte ziehen dürfen. Gerade letzten Winter war er wieder ausgewählt worden.
„Das war mein letztes Jahr, meine Lieben.“ Sobald er in Erzähllaune kam, versammelte sich ein Teil unserer kleinen Herde im engen Kreis um ihn. Selbst die Erwachsenen lauschten interessiert, obwohl sie dies durch einige Meter Abstand und fortlaufendes Scharren im Schnee anfangs noch zu kaschieren versuchten. Aber irgendwann wurden diese Tätigkeiten eingestellt und unbemerkt rückten sie immer näher.
„Wieso, Onkel Raivo?“ Sulo hatte sich in den Schnee gekuschelt, ganz eng bei mir. Sein Fell war von dem weißen Untergrund nur schwer zu unterscheiden. Die frischen Flocken, die vom Himmel auf uns herabsegelten, bildeten ebenfalls keinen Kontrast. Nur mich übermalten sie mit ihrer Farbe, sodass ich ganz fleckig aussah. Missmutig schüttelte ich deswegen den Kopf.
„Weil ich inzwischen alt genug bin. Ich habe ihren Schlitten nun oft genug angeführt. Meinen Platz muss jetzt ein anderes Rentier einnehmen. Meine letzten Jahre möchte ich mich ganz meiner Familie widmen. Euch.“ Raivo senkte sein beeindruckendes Haupt und stupste meinen Bruder mit seiner bräunlichen Schnauze an.
„Dann wirst du aber damit rechnen müssen, dass meine Söhne dir nacheifern und deinen Platz einnehmen wollen. Nimm dich in Acht!“, warnte unsere Mutter ihn. Sie leckte Sulo liebevoll über den Kopf, als sie dasselbe bei mir versuchte, drehte ich mich weg.
„Mama“, beschwerte ich mich leise. Immerhin war ich schon drei. In dem Alter stand man auf eigenen Beinen und wollte nicht länger bemuttert werden.
„Entschuldige Aku, Gewohnheit.“ Sie lächelte und ich wusste, dass sie das mit Absicht tat, um mich zu ärgern.
Ich schnaubte meinen Frust in den Schnee, der aufstob und sich mit den fallenden Flocken vermischte. Die anderen aus der Herde lachten oder schmunzelten über mein Verhalten. Selbst Raivo konnte ein Lächeln nicht verbergen. Beleidigt wandte ich den Kopf zur Seite.
„Eigentlich wollte ich euch jedoch fragen, wieso ihr glaubt, dass es so wichtig ist, dass die Familie Valo einmal im Jahr kommt und acht von uns mitnimmt.“
Weil auch Jüngere unter den Zuhörern waren, die noch kein Weihnachten erlebt hatten, stellte er zu Beginn diese Frage. Das tat er immer. Ich hatte es bereits zwei Mal erlebt. Die Einleitung zur Winterzeit war immer dieselbe, aber die Geschichte danach unterschied sich. Sobald der Schnee unsere Futtersuche erschwerte, lenkte er uns damit von unseren knurrenden Mägen ab.
„Um uns Futter zu geben. Sie sind lieb“, antwortete ein junges Rentiermädchen und kuschelte sich gleich darauf schüchtern an die Seite ihrer Mutter.
„Das ist gar nicht mal so falsch. Sie sind die selbstlosesten Menschen, die ich je getroffen habe.“
„Na ja, allzu viele können das ja nicht sein.“ Der Einwurf kam von weiter hinten, war aber nicht näher zuzuordnen, weil das Schneetreiben stärker wurde und dadurch die Umrisse mit der Umgebung verschmolzen. Alles wurde ein großes Durcheinander, in dem man sich rasch verlieren konnte. Diese Schneefälle in der Dämmerung waren gefährlich, doch daran mochte ich gerade nicht denken.
„Warum tun sie das?“ Sulo richtete sich auf und blickte Raivo aus seinen dunklen Augen neugierig an.
„Was?“
„Uns Futter geben. Sie könnten uns doch auch einfach so holen kommen oder sie behalten die Rentiere bei sich.“
„Das ist wirklich ein interessanter Einwand. Aber Weihnachten ist das Fest des Gebens und nicht des Nehmens. Sie geben uns etwas und wir geben ihnen dafür etwas zurück.“ Raivos Stimme war ruhig und bedacht. Ich bemerkte, wie ich selber bereits ganz fasziniert zuhörte, obwohl die eigentliche Erzählung noch gar nicht begonnen hatte.
„Aber warum tun sie das?“, fragte Sulo interessiert.
„Das … Ehrlich gesagt, weiß ich das gar nicht.“ Raivo wirkte für einen kurzen Moment verunsichert. Es war selten, dass er einmal keine Antwort auf eine Frage wusste und ich merkte auf, weil ich bisher nicht auf die Idee gekommen war, diese Frage zu stellen. Bisher hatte ich es als selbstverständlich hingenommen, dass sie das taten. Es war von Generation zu Generation Tradition. So etwas stellte man nicht in Frage.
Oder zumindest tat ich es nicht, aber mein Bruder schon.
„Was sollte sie veranlassen so selbstlos zu sein?“
„Sulo, sei nicht so frech“, bremste unsere Mutter ihn aus.
„Nein, ist schon in Ordnung, Klaara.“ Raivo nickte ihr zu, als Zeichen dafür, dass er Sulo die Fragen nicht übel nahm. „Ich finde diese Fragen nach dem Warum wichtig. Viele könnten meinen, dass sie das Heu auslegen, um uns anzulocken. Dass sie sich unsere Dienste damit erkaufen. Ich möchte, dass die Jungen verstehen, wieso sie es tun. Ich will, dass sie es wirklich verstehen.“
Durch seine Worte machte er mich neugierig. Bisher waren wir noch nie so an die Sache herangegangen.
„Aber du weißt es doch nicht“, erinnerte ihn abermals eine Stimme aus der Gruppe. Viele der älteren Rentiere sahen es als Zeitverschwendung an, uns diese Dinge zu erzählen. Sie hatten auch kein Interesse daran den Schlitten des Weihnachtsmannes zu ziehen. Sie fraßen dankbar das Heu, das ihnen bereitgelegt wurde, um besser über den strengen Winter zu kommen, aber mehr nicht. Ich hatte schon immer meine Probleme mit dieser Einstellung gehabt, aber ich hatte nie genau benennen können, wieso. Doch jetzt, wo Raivo jenes Geben und Nehmen ansprach, wurde mir bewusst, dass diese Rentiere nur nahmen, aber nicht bereit waren etwas zurückzugeben. Sie kamen mir egoistisch vor, doch ich verurteilte sie deswegen nicht. Es brachte nichts, wenn sie nicht mit vollem Einsatz dabei waren. Es stimmte mich allerdings traurig. Ich bedauerte es, dass sie es nicht so wie ich und mein Bruder als Ehre und Privileg ansehen konnten, den Schlitten zu ziehen.
Seitdem Raivo mir das erste Mal von dem berauschenden Gefühl des Fliegens erzählt hatte, wollte ich es selber spüren. Aber jetzt war mein Bestreben ein viel größeres Geworden. Ich wollte etwas von dem zurückgeben, was wir Jahr für Jahr von der Familie Valo bekamen. Ich wollte mich bei ihnen bedanken, indem ich ihren Schlitten zog und die Verantwortung mit ihnen teilte, ihnen einen Teil ihrer Aufgabe abnahm.
Mein Herz schwoll an und unbewusst richtete ich mich auf, schloss die Augen und streckte mich in den Wind, als dieser um meine Nase wehte. Es fühlte sich an, als ob er nur darauf warten würde, mich in die Lüfte zu heben. Bald, ganz bald.
„Wissen ist nicht immer gleich wissen“, antwortete Raivo in seiner gewohnt besonnenen Art auf den frechen Kommentar. „Ich kann es fühlen und das ist viel mehr wert.“
„Du bist ein alter Träumer, Raivo.“ Malos trat an den Kreis der Zuhörer heran. „Das warst du schon immer. Du hast nur Glück, dass deine Anhänger dir so treu ergeben sind. Aber eines Tages werden sie erkennen, dass deine Worte nichts weiter als das sind. Einfach nur Worte.“
Das weise Rentier musterte den Jungspund interessiert. Ich hatte es bisher noch nie erlebt, dass jemand aus der Herde ihn so offen angriff. Lag es daran, dass auch er langsam älter wurde? Ich machte mir Sorgen. Wie würden die Winter aussehen, wenn er sie nicht mehr mit seinen Geschichten versüßen würde.
Darüber hatte ich mir nie Gedanken gemacht. Aber irgendwann würde es wohl soweit sein, aber nicht heute.
„Und dennoch bereiten euch meine Träumereien jeden Winter einen vollen Bauch.“
„Wenn wir uns nicht gerade verirren so wie vorletztes Jahr“, schnaubte Malos und wandte sich ab.
„Es war noch genug zu fressen übrig. Der Einzige, der einen Nachteil davon hatte, war Raivo, weil er in dem Jahr den Schlitten nicht mitgezogen hat“, warf meine Mutter ein. Wütend blickte sie dem braunen Rentier hinterher, das sich von der Gruppe entfernte und seelenruhig im Schnee zu wühlen begann.
„Ist schon gut, Klaara. Ich hatte mich geirrt und bin selbst schuld“, beschwichtigte Raivo sie.
„Nicht wirklich. Du weißt selber, dass du zur Sicherheit der Herde einen anderen Weg gewählt hast. Andernfalls wäre mindestens einer von uns den Nandolfs zum Opfer gefallen. Es war edelmütig und nicht dumm!“
Raivo lächelte meine Mutter dankbar an und zustimmendes Gemurmel erhob sich.
„Ach, Kinder wir sind vom Thema abgekommen. Ich wollte euch doch eigentlich eine Geschichte erzählen.“ Er blinzelte ein paar Mal und klärte seine Sicht. Das Schneetreiben hatte inzwischen nachgelassen. Die entstandenen weißen Decken auf unseren Fellen rutschten zu Boden und entschieden schüttelte ich mein Geweih.
Richtig, wir sollten uns von den dummen Kommentaren nicht irritieren lassen. Was sie wohl tun würden, wenn kein Rentier mehr bereit war, den Schlitten am Heiligen Abend zu ziehen und die Familie Valo daraufhin die Heufütterung einstellte? Doch darüber dachten sie nicht nach.
Mit grimmigem Blick musterte ich Malos. Auch wenn er es nicht verdient hatte, etwas von dem Heu zu bekommen, so würde ich dennoch nicht zulassen, dass der Weihnachtsmann eines Tages ohne Rentiere dastand.
Mein Traum vom Fliegen war zu dem Wunsch etwas zurückgeben zu können geworden und als ich zur Seite in Sulos dunkle Augen blickte, wusste ich, dass es ihm ähnlich ging.
Vertrauensvoll neigte ich meinen Kopf in seine Richtung und während mein Atem als weiße Wolke in die Dunkelheit emporstieg, flüsterte ich in sein Ohr: „Eines Tages werden wir beide zusammen diesen Schlitten ziehen.“
Seine Augen begannen vor Freude zu leuchten.
„Versprochen?“, fragte er leise, als ich mich wieder aufrichtete.
„Versprochen“, sagte ich bekräftigend. „Ich werde ihn nicht ohne dich ziehen.“
Damit war ein Versprechen gegeben, dass Jahre später dafür sorgen würde, dass mein Bruder alleine in die Tiefe stürzte. Ich würde mein Wort nicht halten können. Viel schlimmer noch, ich würde es brechen, denn ich würde ohne ihn weiterziehen. Wohl wissend, dass er ohne mich verloren war.

Zu gewinnen gibt es: 
1 signiertes TB von "Rentiere - ein weihnachtliches Märchen"

Klappentext:
Alle Jahre wieder kommt der Weihnachtsmann und wir finden uns zusammen, um ein ganz besonderes Fest zu feiern. In dieser Zeit werden viele wieder zum Kind und der Glaube an Wunder und Magie erwacht.
Ich möchte euch dazu einladen, auf eine Reise mitzukommen, auf der ihr ein solches Wunder und die ganze Magie der Weihnacht treffen werdet. Die Geschichte dazu wird von dem Rentier Aku und seinem jüngeren Bruder Sulo erzählt.
Die beiden träumen schon ihr ganzes Leben davon, einmal den Schlitten des Weihnachtsmannes zu ziehen. Als ihr Traum endlich in Erfüllung geht, kommt jedoch alles anders als gedacht.
Aber lasst euch das Geschehene von den beiden doch selbst erzählen …

Und somit beginnt die Geschichte, die wahre Geschichte des Weihnachtsmannes.

 

Link zum Buch: Rentiere - ein weihnachtsliches Märchen

4 Kommentare:

  1. Aku flüstert in Sulos Ohr: „Eines Tages werden wir beide zusammen diesen Schlitten ziehen.“

    Was für eine wunderschöne Geschichte.Danke schön

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  2. Die Antwort ist: „Eines Tages werden wir beide zusammen diesen Schlitten ziehen.“

    Ich liebe solche Geschichten zu Weihnachten

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  3. Antworten
    1. Jemand aus Facebook
      Die Facebookgewinner sind nur auf Facebook angeschrieben und die Blog Gewinner nur hier.

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