[Adventskalender] Türchen 17

Halli Hallo ihr Lieben,

heute gibt es schon das 17. Türchen in meinem Adventskalender. 
Dieses kommt von dem lieben Matthias Teut, welcher uns eine Leseprobe zu Erellgorh da gelassen hat. 
Viel Spaß in der Welt von Erellgorh :) 
Gewinnspielfrage:
Wer begleitet die Helden Atharu, Pitu und Selana in den jeweiligen Textabschnitten?
Das Gewinnspiel endet am 18.12.16 um 24 Uhr!

Atharu
Ein wogendes Meer aus Gräsern erstreckte sich über die weite Ebene und bedeckte die geschwungenen Hügel mit einem Mantel aus schimmerndem Grün. In jeder Senke entglitten die von rauchigem Dunst umhüllten Hütten Atharus Blick. Ein Schwarm Rabenvögel kreiste über der Stelle und wies ihnen unablässig die Richtung. Erst als sie die letzte Anhöhe nahmen, wurde das Ausmaß der Zerstörung deutlich. Wie viele Häuser es einmal gewesen waren, konnte Atharu nicht erkennen. Einige Balkengerüste standen im Nebelrauch wie geschwärzte Skelette. Andere Hütten oder Häuser waren bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Grauer Qualm kräuselte sich in der Luft und nur noch wenige Flammen züngelten hier und dort.
«Wir sind zu spät gekommen», sagte einer der Männer.
Wofür zu spät? Was hätten sie verhindern können? Atharu blickte sich suchend um, ein schlimmer Verdacht erwachte in ihm. «Der Weiler ist komplett niedergebrannt, weil es keine Versuche gegeben hat, den Brand zu löschen!» Er sah Pelldor an.
«Nein. Die Menschen müssen überrascht worden sein.» Der Obmann gab einem seiner Leute die Zügel. «Passt auf die Pferde auf! Kentso und ihr drei, ihr kommt mit uns. Wir wollen sehen, ob wir die Bewohner finden können.»
«Oder ihre Reste», raunte Kentso heiser.
Atharu folgte ihnen, ein flaues Gefühl im Magen. Langsam gingen sie durch die schwelenden Grundmauern, nur ihre Schritte und das leise Knistern des Holzes in den Ohren. Dann brach plötzlich eines der Skelette zusammen. Atharu erschrak, Pelldor und seine Leute zogen ihre Kurzschwerter. Nur Kentso hob die Armbrust und hielt sie im Anschlag. Der beißende Geruch verbrannter Stoffe und Farben nahm zu, während die Männer weitergingen. Ein anderer ätzender Geruch mischte sich hinzu, Atharu entdeckte verkohlte Tierkadaver, die innerhalb quadratischer Grundmauern lagen. Das Vieh hatte keine Chance gehabt, aus seinem Gefängnis zu entkommen. Für Tangora war es befremdlich, Tiere in Behausungen einzusperren. Sie gehörten in die Natur, in ihren angestammten Lebensraum. Diese Tiere waren nur deshalb sinnlos zu Tode gekommen und Atharu schauderte es bei dem Gedanken, wie sie panisch versucht hatten, die Wände einzutreten. Ihre Schreie mussten ohrenbetäubend gewesen sein.
«Atharu, komm. Wir sollten zusammenbleiben. Wir wissen noch nicht ...» Pelldors Stimme brach ab und Atharu beschleunigte seinen Schritt. Dann erstarrte er.
Beißender Gestank trieb ihm Tränen in die Augen. Er brauchte nur einen Moment, um zu erkennen, was da zu einem schwelenden Haufen aufgetürmt vor ihnen lag. Einzelne verkohlte Gliedmaßen und Köpfe ragten noch aus der schwarzen Masse. Das
Feuer hatte ganze Arbeit geleistet und es war nur mehr der Fantasie überlassen, Menschliches an diesen Leibern zu erkennen, die achtlos wie Unrat übereinandergeworfen waren.
Wer macht so etwas, wollte Atharu fragen. Doch seine Stimme versagte ihm den Dienst. Das Bild brannte sich in seinen Kopf und löschte damit einen kleinen Teil seiner Seele, die bisher so behütet und unbeschadet geblieben war.
«Sichert den Weiler zu allen Seiten und gebt Signal, wenn ihr jemand Lebenden entdeckt.» Pelldor gab jedem seiner Leute Zeichen und wies in verschiedene Richtungen. «Kentso, such nach Spuren – ich möchte wissen, in welche Richtung der Abschaum gezogen ist, der das hier zu verantworten hat!»
Atharu sah zum Obmann auf und wandte sich dann wieder den Menschen zu, den Opfern, die hier lagen, verbrannt bis zur Unkenntlichkeit. Ihre Gräber würden namenlos bleiben.
«Atharu!» Pelldor fasste ihn bei der Schulter und zog ihn herum. «Du musst den Blick abwenden. Wir können hier nichts mehr tun.»
«Ich ...» Atharu räusperte sich, ihm kam seine Stimme für einen Moment seltsam rau und fremd vor. «Wir müssen sie begraben. Kein Mensch hat das verdient. So viel Angst und Schmerz. Sie sollten nicht auch noch den Aasfressern anheimfallen.» Er schaute zu den schwarzen Vögeln über ihnen.
Pelldor seufzte. «Das ehrt dich. Doch du kannst nichts mehr für sie tun.»
«Ich werde sie begraben. Das zumindest kann ich tun.» Atharu wandte sich suchend um. «Es müssen doch Schaufeln oder etwas in der Art zu finden sein.»
«Atharu!» Pelldor packte ihn erneut, diesmal fester. «Sie sind tot! Und ihre Seelen sind schon im Zeitpunkt des Todes gegangen. Hier liegen nur noch die Hüllen.» Pelldor blickte ihm eindringlich in die Augen. «Hörst du? Ihre Seelen sind frei. Atharpazh sorgt für sie.»
Atharu nickte langsam, widerstrebend. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Dieses Bild, dieser Gestank.
«Wir sollten nicht länger hierbleiben. Komm mit zu den Pferden und gönn deinen Augen den Blick über die Ebene. Du musst dich vor seelischer Ohnmacht schützen. Solche Erlebnisse können dich sonst für immer verfolgen!»
Der Tangora nickte und ließ sich mitführen. Fassungslos blickte er um sich, während sie zu den Pferden zurückgingen. «Dass Feuer so etwas anrichten kann! Es darf nicht sein. Feuer soll helfen, wärmen, Kraft und Geborgenheit spenden.»
Pelldor nickte. «Feuer ist Energie. Nützlich oder zerstörerisch. Es liegt an den Menschen, was es aus- oder aber anrichtet!»
Es liegt an den Menschen. Ja, so war es wohl. Doch ehe Atharu den Gedanken weiterführen konnte, kam Kentso hinzu.
Pitu
Das sirrende Geräusch nagte an Pitus Nerven. Der Schwarm Pixxis war wie aus dem Nichts aufgetaucht und schwirrte bedrohlich heran. Die dichte Wolke der Stechmücken schien vor ihnen in der Luft zu kleben. Pitu hob in einer schnellen Bewegung das Paddel und schlug nach den Pixxis. Wasser spritzte zu allen Seiten, doch der Schwarm stob nur kurz auseinander und fügte sich dann wieder zusammen.
«Nicht schlagen! Nichts bringen und aus Rhythmus kommen, nicht?»
Das Boot schwankte bedrohlich, Pitu verstand sofort, was Fludo meinte. Augenblicklich trieben sie zur Seite ab. Die Strömung war hier deutlich stärker als in den Tiefen der Sümpfe und es kostete mehr Kraft, das Boot voranzutreiben und zu lenken. Sie mussten dem Fluss schon sehr nahe sein. Doch durch die Stechmückenwolke konnte Pitu kaum etwas sehen. Auf einmal verließen einige der Plagegeister den Schwarm und schwirrten direkt auf sein Gesicht zu. Verlor die stinkende Schutzpaste ihre Wirkung? Als sich die erste der Mücken auf seine Stirn setzte, schüttelte Pitu hektisch den Kopf. Dann ließ sich eine weitere auf seiner Nase nieder. Wild warf Pitu den Kopf hin und her und schaffte es, die vorwitzigen Viecher abzuschütteln. Doch wieder landete eine, diesmal auf seiner Wange. Er versuchte, sie mit der Schulter zu erreichen und beim Paddeln nicht aus dem Rhythmus zu kommen.
«Au!» Das Vieh hatte ihn gebissen. Panisch dachte Pitu an die Berichte, die er gehört hatte: Durch einen Schwarm Pixxis bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt! Und inzwischen sirrten Dutzende um seinen Kopf. Nein, bitte nicht!
«Nicht schlagen?» Pitu schaffte es, verbissen weiterzupaddeln. Wieder ein Biss! «Wenn nicht gleich was passiert, spring ich über Bord!»
Pitu merkte, wie Fludo hinter ihm das Paddeln einstellte.
«Du weiter paddeln, wechseln, rechts, links, nicht?»
Pitu mühte sich, das Boot weiter vorwärtszubringen. Fludo war hinter ihm mit ihren Sachen beschäftigt und fluchte. Dann lachte sein Freund auf und kurz darauf drang eine Wolke vertrauten Gestanks an Pitus Nase.
Von einem Moment auf den anderen verschwanden die Pixxis. Als hätten die beiden eine unsichtbare Grenze passiert, die für die Mücken tabu war. Was für eine Erlösung! Trotzdem hatte Pitu immer noch den Kopf zwischen die Schultern gezogen und blickte argwöhnisch um sich.
Tatsächlich änderte sich jetzt auch die Vegetation um sie herum. Die mit Moos und Flechten bedeckten Büsche und Bäume blieben zurück und vor sich konnten sie den breiten Fluss erkennen, der die Sümpfe gen Norden begrenzte.
«Arro-Yrdazh! Ohne ihn ... keine Athür!» Die Stimme von Fludo klang ehrfürchtig, doch sein Atem ging schwer, denn er paddelte wieder mit und strengte sich ebenso an wie Pitu. «Und ... keine Heimat ... für Urda, ... nicht?»
Pitu lief der Schweiß von der Stirn. Eine gefühlte Ewigkeit waren sie nun ohne Pause unterwegs. Und die stetig stärker werdende Strömung forderte zusätzlichen Tribut. Außerdem schmerzten die Bisse in seinem Gesicht. Er brauchte eine Pause.
«Andere Seite ... wir ... rüber müssen!» Im Rauschen des Wassers war Fludo kaum zu verstehen.
Als die beiden das breite Flussbett erreichten, wurde ihr Boot von der Strömung so heftig erfasst, dass es ins Trudeln geriet. Auf die andere Seite kommen, wie sollte das gelingen? Pitu mobilisierte seine ganze Kraft und hörte, wie sein Freund hinter ihm stöhnte und ächzte. Immer weiter wurden sie mit der Strömung gerissen. Pitus Muskeln spannten sich, während er nur noch linksseits paddelte, um gegenzusteuern. Die Adern traten hervor und sein Herz schlug einen wilden Takt, als wollte es dem lauten Rauschen des Flusses ein kriegerisches Trommeln entgegensetzen.
Selana
Es dauerte einen Moment, ehe Selana und ihre Freundin sich von dem Schreck erholt hatten. Vertieft in ihr Gespräch hatten sie überhaupt nicht mehr auf Semje geachtet.
«Wir dachten, du schläfst!», meinte Aria.
«Hätte ich auch gern!», fuhr er sie an und raunzte unverständliches Zeug in seinen Bart.
«Entschuldige bitte», setzte Selana beschwichtigend hinzu.
«Entschuldige bitte, entschuldige bitte.» Semje äffte sie übertrieben nach. «Junge Zicklein meckern, ich wusste es. Warum nur habe ich mich breitschlagen lassen?» Wieder grummelte er den letzten Satz nahezu unverständlich in seinen roten Bart.
«Und olle Schafsköppe blöken!», polterte Aria. Sie konnte ebenso unfreundlich sein wie der Zwerg, das stand fest.
«Was hast du eigentlich damit gemeint, wir sollten kein Wort über Luftmagie verlieren? Und mit den schlimmen Mächten, die wir heraufbeschwören könnten?»
Selana wollte sich von den Streitereien nicht ablenken lassen. Irgendetwas wusste der Zwerg über Magie. Und sie wollte es unbedingt erfahren. Doch alles, was sie als Antwort bekam, war eisiges Schweigen. Nur das stete Knarren der Räder und das Rumpeln des schweren Karrens auf dem Handelsweg waren zu hören. Unterbrochen höchstens durch das Schnauben des Dokabullen. Selana versuchte es noch ein, zwei Mal. Dann gab sie es auf, lehnte sich zurück und schloss resigniert die Augen.
Zwei kurze Pausen machten die drei, bis der Zwerg seinen Doka am späten Abend abseits der Handelsstraße in eine Baumgruppe führte, um das Nachtlager aufzuschlagen. Semje spannte eine Plane und legte seine Decken darunter. Dann machte er ein Feuer, setzte sich und kramte etwas Essbares aus seinem Bündel. Als er merkte, wie die beiden Frauen ihn anstarrten, wies er unter den Karren und grunzte etwas wie «Ihr könnt da drunter schlafen!»
Inzwischen hatte er eine Scheibe von einem Laib Brot abgeschnitten und eine weitere von dem streng riechenden Käse, den er aus seiner Tasche zutage gefördert hatte. Nach dem Gestank zu urteilen, musste er einfach köstlich schmecken. Herzhaft biss der Rotbärtige ein viel zu großes Stück von seinem Käsebrot ab und kaute mit offenem Mund. Als er bemerkte, dass die beiden Freundinnen ihn immer noch anstarrten, hielt er inne.
«Waw?» Semje starrte mit zusammengezogenen Brauen zurück.
Selana schluckte schwer, konnte aber kein Wort über die Lippen bringen.
«Waw g-opft i-a ho, ver-dan...» Mit vollem Mund konnte der Zwerg nicht wirklich fluchen und prompt fiel ihm das halbe Brot wieder heraus. Er bückte sich, wischte Brot und Käse grob an seinem Ärmel ab und steckte es erneut in den Mund.
Selana und Aria schluckten hörbar, Selana fragte sich, ob ihr bei diesem Anblick wirklich das Wasser im Munde zusammenlaufen oder nicht eigentlich der Appetit vergehen sollte. Aber der Käse roch so verführerisch und selbst das Brot duftete verlockend. Wann hatten sie das letzte Mal etwas Vernünftiges gegessen?
Sie fasste sich ein Herz. «Semje, ich ... wir haben nichts mehr zu essen. Du hast nicht zufällig etwas für uns übrig? Wir könnten es bezahlen.»
Aria stieß sie verblüfft in die Seite und verzog das Gesicht zu einem Fragezeichen.
«Doch, doch. Ich hab ein paar Kupfermünzen.» Selana nahm ihr Bündel und begann darin zu suchen.
«Bei den schartigen Schwertern von Nehrbor!» Semje rollte mit den Augen. «Ich werd ja wohl keinen hungern lassen, während ich mir den Bauch vollschlage.» Er reichte den beiden Brot und Käse, nicht ohne sich vorher noch zwei Kanten abgeschnitten zu haben. «Aber zu trinken habt ihr doch wohl, oder?»
«Ja, m-nke», meinte Aria, während sie schon an dem ersten Bissen Brot kaute.
«Nehrbor? Wer ist das?» Selanas Neugier war geweckt.
«Was!» Semje gab einen schmatzenden Laut von sich.
«Wer Nehrbor ist», setzte sie nochmals nach.
«Rrrr. Was! Was ist Nehrbor.»
«Oh, ich glaube», Aria schluckte hörbar, «ich glaube, es ist eine Festung oder Burg, östlich der Hochebene.»
Semje starrte sie ungläubig an. «Woher weißt du das?»

Zu gewinnen gibt es:1 Mousepad von Erellgorh

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